Pacific News #11

 

Chek Lap Kok – Hong Kongs neuer Airport

Heinz Olaf Franken

 

Hong Kongs alter Flughafen Kai Tak, mit 29,5 Mio. Passagieren und 1,5 Mio. t Fracht jährlich (mehr als auf Deutschlands größtem Flughafen, Frankfurt/Main), liegt im Zentrum von Kowloon und ist nur über einen Anflug mitten durch die Häuserschluchten erreichbar. Vor dem Tower gehen die Maschinen in eine 47°-Kurve, um die ins Meer gebaute Landebahn zu erreichen. Aufgrund des ungewöhnlichen Anflugs benötigen die Piloten eine spezielle Lizenz. Mit der Eröffnung des neuen Airport Chek Lap Kok am 2.7.1998 auf einer künstlichen Insel im Südchinesischen Meer vor Lantau ist dies Geschichte.

Die Baumaßnahmen für den neuen Flughafen, an denen Firmen aus 19 Ländern beteiligt waren, begannen am 21.12.1993, nachdem die VR China ihre Zustimmung zu diesem gigantischen Projekt gegeben hatte, an dem zeitweilig 32.000 Menschen beschäftigt waren. Für den Bau des Flughafens wurden 938 ha Neuland gewonnen und sogar ein störender Berg abgetragen. Wegen der fehlenden Verbindung mit dem Festland wurden die Baumaschinen mit Schiffen oder Hubschraubern auf die Insel transportiert. Die Planierung des Meeresbodens vor Lantau, wo die künstliche Insel für den Flughafen entstand, wurde von Baggerschiffen aus den Niederlanden durchgeführt. Seit Baubeginn wurde an 7 Tagen in der Woche rund um die Uhr gearbeitet. Nach 2,5 Jahren waren 1248 ha baufertig. Die beteiligten Tiefbauunternehmen hatten ihren Zeitplan um 10 Monate unterschritten, waren aber trotzdem im vorgesehen Kostenrahmen von 1,15 Mrd. US $ geblieben.

Karte Chek Lap Kok (Reisner / Wolf 1998)

Die gesamte Verkehrsinfrastruktur mußte neu erstellt werden. So umfaßte das Projekt eine Schnellbahn, die den Flughafen in 23 Minuten mit Hong Kong Central verbindet. Dazu kamen noch 5 Straßenbauprojekte mit mehreren Tunnels (u.a. unter den Hafen Hong Kongs) und Brücken sowie größere Landaufschüttungen westlich Kowloons und vor dem Stadtzentrum auf Hong Kong Island. Die 2-stöckige Tsing-Ma-Brücke ist mit einer Länge von 2,2 km die längste Hängebrücke der Welt und ist die einzige Verbindung vom Flughafen zum Festland, was als problematisch angesehen wird. Wenn diese Brücke durch eine Naturkatastrophe (Taifun), häufige Unfälle oder Terrorismus unpassierbar wird, besteht keine Verbindung mehr zum Flughafen. Direkt neben dem Flughafen entsteht eine neue Stadt für zunächst 14.000, im Jahr 2010 200.000 Einwohnern. Mit dem ersten Bauabschnitt wurde bereits begonnen. Neben dem Passagierterminal gibt es Frachtterminals, Hotels, Büros, ein Kraftwerk sowie Wasser- und Pumpwerke. Insgesamt wird der Airport Arbeitsplätze für 47.500 Menschen bieten.

Im Umkreis von 5 Flugstunden um den Flughafen leben ca. 50% der Weltbevölkerung. Dem entsprechend ist der neue Flughafen dimenisioniert. So ist der Passagierterminal für 35 Mio. Reisende jährlich ausgelegt. Wenn auch die zweite 4 km lange Rollbahn im nächsten Jahr fertiggestellt ist, steigt die Kapazität auf 75 Mio. jährlich. Geplant wurde der 1,3 km lange Terminal vom britischen Architekten Norman Foster. Den Transport der Passagiere übernimmt ein vollautomatischer Shuttle-Zug. Auch alle Funktionen wie Beleuchtung, Klimatisierung etc. erfolgen automatisch zentral gesteuert. Das Gepäcktransportsystem hat eine Länge von 20 km und stammt aus den Niederlanden. Die Sicherheits- und Kommunikationssysteme sind vom Modernsten. So gehört die erste Landebahn zur Kategorie II, d.h. sie ermöglicht Landungen bei einer Sicht von 350 m. Die zweite Landebahn erlaubt sogar Landungen bei einer Sicht von 200 m. Farbige Stroboskop-Lichter weisen die Piloten zum Aufsetzpunkt und ein Füh-rungssystem leitet die Maschinen zu den 80 Gangways.

Die Frachtterminals sind auf eine Jahreskapazität von 3 Mio. t ausgelegt. Davon entfallen 2,6 Mio. t allein auf das “Superterminal 1” von Hong Kong Air Cargo Terminals Co. Ltd (HACTL). Für HACTL kam die Eröffnung des neuen Airport gerade richtig. Sie hatte 1996 mit ca. 1,5 Mio. t Fracht ihr bisher bestes Ergebnis erzielt, was einer Steigerung um 6,6 % gegenüber 1995 bedeutet. Der Export stieg um 6,3 % auf 703.522 t, der Import um 7,6 % auf 607.594 t und die Umladungen um 4,6 % auf 178.032 t. Nach Angaben des Airports Council International liegt Hong Kong damit bei Cargo an 6. Stelle. Beim Passagieraufkommen liegt Hong Kong nach Clinton Leeks weltweit an Platz 2 oder 3 (Hong Kong Airport Authority).

Während der Airport-Wechsel bei den Passagieren problemlos ablaufen sollte, was tatsächlich nicht der Fall war, rechnete man bei der Fracht sehr wohl mit Anlaufschwierigkeiten in den Anfangsmonaten. Die HACTL drängt daher die Versender ihre Sendungen mindestens 24 Std. vor dem geplanten Abflugtermin anzuliefern. Derzeit verfügt die HACTL nur über eine Kapazität von 1,2 Mio. t jährlich. In bezug auf die Zahlen von Kai Tak (1,5 Mio. t) und der erwarteten Frachtzunahme um 7% bis zum Jahr 2000 eine zu geringe Kapazität. Diese Lücke könnte bei rechtzeitiger Fertigstellung ihres auf 420.000 t Fracht jährlich ausgelegten Cargoterminals die Asia Airfreight Terminals abdecken.

Der Bau des neuen Flughafens erfolgte in für deutsche Verhältnisse unvorstellbar kurzer Zeit. So waren bis Ende 1997 bereits 85 % der Arbeiten fertiggestellt, lediglich die Schnellbahn lag noch hinter ihrem Zeitplan. Durch rigorose Kostenkontrolle konnte der Kostenrahmen des Bauvorhaben eingehalten, ja sogar um 1,85 Mrd. Hong Kong Dollar unterschritten werden. Die Gesamtkosten des Projekts lagen bei 150 Mrd. Hong Kong Dollar (33 Mio. DM), davon entfielen 2/3 auf öffentliche Mittel. Geplant ist, daß sich diese Investitionen bis zum Jahr 2003 amortisieren werden.

Als problematisch für die zukünftige Entwicklung des Luftverkehrs in der Region könnte sich die Rückgabe von Macao im Jahr 1999 an VR China erweisen, denn dort wurde 1995 ebenfalls ein moderner Flughafen mit einem Passagieraufkommen von 1,2 Mio. und einem Frachtaufkommen von 21.000 t jährlich eröffnet. 90 % der Passagiere haben als Reiseziel entweder die VR China oder Taiwan, davon viele im direkten Transit. Falls im Zuge von Reiseerleichterungen zwischen diesen beiden Ländern eine Reise über ein Drittland entfallen sollte, wird man sich in Macao nach neuen Zielen umsehen müssen. Dazu kommen noch die beiden Flughäfen Shenzhen und Zhuhai. Daher rechnet man in der Deltaregion des Perlflusses mit einer Überkapazität im Luftverkehr, die zu einem scharfen Wettbewerb bei Preisen, Landerechten und Landegebühren führen kann. Hong Kong wird aber wegen seiner modernen Infrastruktur auch im 21. Jahrhundert weiterhin die Drehscheibe Asiens zur Welt bleiben. Über die Flughäfen Shenzhen und Zhuhai wird verstärkt der innerchinesischen Flugverkehr abgewickelt werden. Der alte Flughafen Kai Tak wird wahrscheinlich nicht mehr als Flughafen genutzt werden, auch nicht als Pendlerflughafen, sondern als Bauland.

Quellen: