Pacific News #10

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Die RWTH Aachen in Ost- und Südostasien

Kurt Schetelig

Ausgangssituation
Der deutschen Wirtschaft und Politik wird vielfach vorgeworfen, die aufstrebenden Staaten in Ost- und Südostasien lange vernachlässigt zu haben. Für die RWTH Aachen gilt dies nicht. Schon um die Jahrhundertwende kamen die ersten chinesischen Studenten nach Aachen, um vor allem die Grundlagen der Montanindustrie für Kohle, Eisen und Stahl zu erlernen. Studierende aus vielen anderen Ländern dieses Raumes folgten.

Japan nimmt als hochentwickeltes Industrieland in dieser Region eine Sonderstellung ein. Die Beziehungen zu diesem Land sind im Bereich der Hochtechnologie vielfältig, wenn auch nicht so spektakulär, da sie durchgehend auf Einzelinitiativen einzelner Professoren oder Institute beruhen. Diese sollten wegen ihrer besonderen Qualität zu gegebener Zeit in einem getrennten Aufsatz dargestellt werden.

Im folgenden soll eine Auswahl von Kooperationsvorhaben mit jenen Staaten der Region genannt werden, die üblicherweise dem Kreis der Schwellen- und Entwicklungsländer zugeordnet werden. Die entsprechenden Projekte laufen schon seit einiger Zeit oder befinden sich in einer fortgeschrittenen Planungsphase und sind dem Arbeitskreis Nord-Süd der RWTH bekannt. Dieser Arbeitskreis aus rund 60 Professoren, Mitarbeitern und Studierenden aus allen Fakultäten hat sich das Ziel gesetzt, die Zusammenarbeit mit den Schwellen- und Entwicklungsländern zu vertiefen, die besonderen Probleme dieser Länder in die Lehre einzubringen und zu Studierenden in Aachen aus diesen Staaten Kontakt aufzunehmen.

China
Seit Jahren besteht ein enger Austausch zwischen dem Institut für Eisenhüttenkunde und mehreren Technischen Universitäten in China. Die gemeinsamen Forschungsvorhaben dienen in erster Linie der Modernisierung der chinesischen Stahlindustrie. Rund 50 ehemalige Doktoranden aus dem Bereich Metallurgie und Werkstofftechnik sind inzwischen in ihrem Heimatland an führender Stelle tätig. Herr Professor Gudenau ist der Senatsbeauftragte für die Kooperation mit der Technischen Hochschule für Eisen und Stahl in Peking.

Herr Professor Gocht, der Leiter des Institutes für Internationale Technische und Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Vorsitzender des Senatsausschusses für das Auslandsstudium und Internationale Beziehungen, hat gleichfalls Kontakt zu mehreren Universitäten und unterrichtet regelmäßig chinesische Studenten in Aachen. Die Arbeitsgruppe China-Forschung unter der Leitung von Herrn Dr. Romich untersucht vor allem soziologische und soziale Auswirkungen des raschen politischen und wirtschaftlichen Wandels in China. Sie bemüht sich, die hier gewonnenen Erkenntnisse einem breiteren Kreis der deutschen Wirtschaft nutzbar zu machen. Ein Teil dieser Untersuchungen, nämlich die Vermittlung von Basiswissen für umweltgerechtes Verhalten in der Bevölkerung und bei den Behörden, leitet über zu dem Engagement von Herrn Dr. L. Krapp, Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie. Herr Dr. Krapp ist Koordinator eines geplanten Vorhabens zur Müllentsorgung. Die entsprechenden Abfallwirtschaftspläne wurden und werden vom Forschungsinstitut für Wasser und Abfall (FIW) an der RWTH erarbeitet.

Südostasien
Ein weiteres wichtiges Partnerland ist Indonesien, zu dem Herr Professor Gocht und sein Institut seit langem regelmäßige und intensive Beziehungen pflegen. Herr Professor Gocht hat zudem im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft in den letzten Jahren ein umfassendes Kooperationsabkommen zwischen deutschen und südostasiatischen Universitäten ausgearbeitet, das kürzlich unterzeichnet wurde.

Auf dem Sektor der Grundwassererkundung und -erschließung ist seit rund 20 Jahren Herr Professor Langguth tätig. Seine zahlreichen Absolventen sind auf den verschiedensten Gebieten der Hydrogeologie und der Wasserversorgung an Universitäten sowie staatlichen und privaten Einrichtungen der Wasserwirtschaft in Indonesien, aber auch im diplomatischen Dienst, tätig.

Die vielleicht intensivste Bindung zwischen Aachen und Indonesien besteht über das Außeninstitut des Forschungsinstituts für Wasser und Abfall (FIW) bzw. des Instituts für Siedlungswasserwirtschaft von Herrn Professor Dohmann. Diese Einrichtung in Bandung bearbeitet seit rund 10 Jahren vor Ort Projekte der Siedlungswasserwirtschaft und der Abfallentsorgung mit einem gemischten deutsch-indonesischen Stab.

In Thailand hat Herr Professor Conradt, Lehrstuhl für Glas und keramische Verbundwerkstoffe, über 10 Jahre als junger Dozent an der Chulalungkorn University ein Institut für Glastechnik aufgebaut. Die hier gewonnenen Erfahrungen und seine perfekten Sprachkenntnisse bringt er gegenwärtig in ein sehr großes, noch in der Vorbereitung befindliches Kooperationsprojekt in Thailand zusammen mit Herrn Professor Jansen, Institut für Theoretische Elektrotechnik, ein. Dieses Vorhaben würde im Falle seiner Realisierung eine langfristige enge Verknüpfung in Forschung und Lehre mit einer Universität in Thailand auf einem weiten Feld der Ingenieur- und Naturwissenschaften bringen.

Als letztes Land seien die Philippinen erwähnt, in denen vor allem auf dem Gebiet der Vulkanologie und der Lagerstättenkunde seit rund 20 Jahren ein Austausch besteht. So würden die jüngsten Ausbrüche des Vulkans Pinatubo von Herrn Professor Förster und seinen Studenten dokumentiert, ausgewertet und soweit möglich die Ergebnisse in Vorhersagen über Gefährdungsszenarien eingebracht.

Kritischer Ausblick
Die knappe Zusammenstellung macht deutlich, daß die von den deutschen Hochschulen geforderte Internationalisierung von der RWTH im pazifischen Raum schon seit langem praktiziert wird. Diese Zusammenarbeit könnte bedeutend verstärkt werden, wenn nicht bürokratische Hemmnisse sie immer wieder erschweren würden. Hierzu zählen etwa die großen Hürden, die einer Mitwirkung nicht-promovierter Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Asien entgegenstehen. Manche dringenden Projekte fallen auch immer wieder in die Lücken zwischen den einzelnen Förderprogrammen oder zwischen die Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Ministerien. Es muß leider festgestellt werden, daß die geplante Neuordnung im deutschen Hochschulwesen nach den ersten Hinweisen entgegen den Beteuerungen der Politik zusätzliche Erschwernisse für die internationale Zusammenarbeit bringen dürfte. Als Beispiel hierfür seien zusätzliche Behinderungen für ausländische Studierende und Wissenschaftler durch verstärkte Zuständigkeiten der Auslandsämter genannt.

Zur Person
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Kurt Schetelig ist Sprecher des ARBEITSKREIS NORD-SÜD.

Kontakt:
Lehrstuhl für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie der RWTH
Lochnerstr. 4-20
D-52064 Aachen
Telefon: 0241-805740
Telefax: 0241-8888280
ARBEITSKREIS NORD-SÜD an der RWTH Aachen
Seit 1992 arbeitet eine Gruppe von Wissenschaftlern und Studierenden der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen an Möglichkeiten der Kooperation zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Am 01.02.1995 gründeten sie den ARBEITSKREIS NORD-SÜD, dessen Ziel es ist, das Bewußtsein um die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Industrieländern einerseits und den Schwellen- und Entwicklungsländern andererseits sowie die gemeinsame Verantwortung für die “Eine Welt” zu schärfen. Der Arbeitskreis will zur Entwicklung von zukunftsfähigen Lösungen beitragen, welche – im Süden wie im Norden – die jeweiligen technischen, wirtschaftlichen, ökologischen und soziokulturellen Grundlagen berücksichtigen.

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