Pacific News #10

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Wirtschaftskrise in Japan

Heinz Olaf Franken

Die japanische Wirtschaft steckt in der Krise. Der konjunkturelle Aufschwung in den 80er Jahren (bubble economy) basierte auf einem boomenden Immobilienmarkt und einer spekulierenden Börsenhausse. Innerhalb von 5 Jahren kam es zu einer Verdreifachung der Grundstückspreise und der Börsenkurse. Der Nikkei-Index stieg bis auf 40.000 Punkte. Die Grundfläche des Kaiserpalastes in Tokio wurde höher bewertet als die Fläche Kaliforniens. Niedrige jährliche Wachstumsraten, ein Einbruch des Nikkei-Index bis auf 14.000 Punkte in den Jahren 1992 und 1995 sowie der Preisverfall der Immobilien beendeten das Wirtschaftswachstum zu Beginn der 90er Jahre. Daher konnten viele Schuldner ihre Kredite nicht mehr bezahlen. Viele namhafte Unternehmen der Versicherungs- und Baubranche sowie Großbanken kamen in finanzielle Schwierigkeiten. Trotz staatlicher Programme kommt die Konjunktur bisher nicht in Schwung. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde hätte derzeit sogar keine Chance in die Europäische Währungsunion aufgenommen zu werden, denn sie überschreitet mit einer Staatsverschuldung von 85 % des BIP und einer jährlichen Neuverschuldung von 5 % die erforderlichen Maastricht-Kriterien.

Die Finanzdecke vieler Banken ist infolge dieser Entwicklung sehr dünn. Den Anlagevermögen von ca. 500 Mrd. US $ stehen ausstehende Kredite in etwa der gleichen Größe entgegen. Die dadurch erzwungene Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe führt zu einer steigenden Zahl von Bankrotten. Der japanischen Wirtschaft drohen Stagnation oder Rezession. So ist das BIP im zweiten Quartal dieses Jahres real um 2,9 % gesunken. Dies ist der schlimmste Konjunktureinbruch seit der Ölkrise in den Siebzigern. Verschärft wird die Situation noch durch den erstmals seit 1995 (Kobe Erdbeben) unter 16.000 Punkten gesunkenen Nikkei-Index, der die Vermögenswerte der Banken schrumpfen läßt. Sollte der Nikkei-Index sogar bis auf 14.700 Punkte sinken und längere Zeit auf diesem Niveau verharren, so wären viele Banken nicht mehr in der Lage die “faulen” Kredite zu finanzieren. Die Folge wäre eine Bankenpleite großen Ausmaßes. Experten schätzen, daß schon ein Nikkei-Index unterhalb 16.000 Punkte bei 5 der 20 Großbanken die Kursgewinne ihrer Aktienportefeuilles aufzehren wird.

Die seit Juli anhaltende Krise in den Tigerstaaten, von der auch Hong Kong und Singapur betroffen sind, mit dramatischen Kursverlusten und Währungsabwertung, kommt für Japan sehr ungelegen. Japan ist der größte Kreditgeber im asiatischen Raum. Mehr als 4/3 der japanischen Auslandskredite in den letzten 5 Jahren gingen nach Asien. So entfallen über 50 % der thailändischen Auslandsschulden von 90 Mrd. US $ auf japanische Kreditgeber. Daher hat Japan auch den größten Teil des Hilfspaktes des IWF für Thailand finanziert. Die Krise in Hong Kong trifft Japan noch stärker, denn Hong Kong ist nach den USA das größte Zielland japanischen Kapitals. So gehören 50 % der Vermögenswerte in Hong Kong Japanern. Obwohl die meisten Kredite (nur 3 % “faule” Kredite) an sichere Kreditnehmer (z.B. große Unternehmen) geflossen sind, wäre Japan von einer anhaltenden Krise in Hong Kong direkt betroffen.

Während das Ausmaß der Kreditverluste noch nicht abzusehen ist, zeigen sich beim japanischen Export in die Region (40 % der japanischen Exporte gehen nach SE-Asien) erste Auswirkungen der Krise. So sinken die Exporte von Konsumgütern, Autos und Computern seit Wochen.

Zur Verbesserung ihrer Finanzsituation werden die japanischen Banken sich in Zukunft weiter von ihren Beteiligungen untereinander (Überkreuzbeteiligungen) trennen. Sollten die japanischen Banken zu ihrer Rettung gezwungen sein, ihr Auslandskapital in Höhe von 900 Mrd. US $ (hauptsächlich in US Schatzbriefen angelegt) zu verkaufen, so würde das direkte Auswirkungen auf die amerikanischen Zinsen und Wachstumsraten haben und die internationalen Bondmärkte destabilisieren.

Quelle:

  • SOMMER, T.: Die japanische Gefahr. Die Zeit 47, 14.11.97
  • BORK, H.: Domino in Tokio. Die Zeit 47, 14.11.97